aus dem Rathaus Greußen - 26.03.2014
René Hartnauer - Bürgermeister der Stadt Greußen informiert ...
Aktion Flussfege "sächsiche Helbe" fand am 15.03.2014 statt
Bachfege an der „Sächsischen Helbe“ zum Erhalt der historischen Wasseranlage
Die Sächsische Helbe wurde im 14. Jahrhundert im Auftrag von Landgraf Balthasar von Thüringen als künstlicher Wasserlauf vom Helbewehr in Westgreußen bis nach Weißensee auf einer Länge von 19km mit zahlreichen Windungen in mühevoller Handarbeit errichtet. Sie diente hauptsächlich der Wasserversorgung der Stadt Weißensee und sorgte in den Folgejahren mit dem Antrieb zahlreicher Mühlen für Arbeitserleichterungen und Wohlstand im Helbetal. Bereits aus dem Mittelalter sind Informationen über die Pflege, Reinigung und Ausbesserung des Bachlaufes überliefert. Das geringe Gefälle von nur 1 Promille, ständiger Laubeintrag, herabfallende Äste , zahlreiche im Bachbett wachsende Gehölze und Wasserpflanzen, Bodenerosion und Unrat sorgten kontinuierlich zur Verringerung der Fließgeschwindigkeit, zum Anwachsen der modrig riechenden Schlammschichten und letztlich zum Rückgang der Durchflussmenge, steigenden Wasserpegeln und Zeiten, in denen der Wasserstrom gänzlich ausblieb. Die geschilderten Gründe veranlassten die Stadträte mehrmals im Jahr alle Anlieger, Müller, Wasserknechte sowie Tagelöhner zur „Helbefege mit eiserner Schaufel oder Hacke“ aufzurufen. Vor 600 Jahren ahnte wohl niemand, dass im heutigen 21. Jahrhundert die Muskelkraft zahlreicher Helfer immer noch gefragt ist, um dieses mittelalterliche Bauwerk vor dem Verfall zu retten.
Im Herbst 2013 fasste der Vorstand des Angelvereines Greußen den Beschluss, nach 2009 erneut eine gemeinschaftliche „Helbefege“ im Bereich Clingen-Greußen zu organisieren. Aus seiner Sicht erschien eine „Grundberäumung“ der „Sächsischen Helbe“ als Gewässer 2. Ordnung allein durch die anliegenden Kommunen sowie den seit mehreren Jahren inaktiven Verband „Unteres Helbesystem“ in nächster Zeit nicht realisierbar. Nach mehreren Gesprächen mit den Bürgermeistern aus Clingen und Greußen sowie dem Gewässerkoordinator der Verwaltungsgemeinschaft und der sofortigen Zusage zur Unterstützung der Gemeinschaftsaktion wurde mit der Erfassung des aktuellen Gewässerzustandes, Ausarbeitung der notwendigen Arbeiten sowie Einschätzungen zur Verwendung von Technik in einzelnen Gewässerabschnitten begonnen. Die Organisatoren waren sich einig, dass man nur durch die Einbeziehung und Mithilfe weiterer Vereine und interessierter Bürger diese geplante Aktion zur Erhaltung des historischen Wasserbausystems im angedachten Umfang realisieren kann.
So trafen sich am 15.März an der „Sächsische Helbe“ im Bereich Lindenstraße/Greußen und Kleine Wartburg/Clingen insgesamt 95 ehrenamtlich tätige Gartenfreunde, Naturschützer, Vereinsmitglieder, Anlieger und mehrere freiwillige private Helfer, um mit vereinten Kräften über Gemarkungsgrenzen hinaus eine Bachfege beginnend ab der Poststation Greußen bis zum Sportplatz in Clingen auf einer Länge von 2km durchzuführen. Beteiligt waren: die Angelvereine aus Greußen und Weißensee, Autohaus „Am Ried“, Mitglieder der Gartenanlage „An der Sächsischen Helbe“ (alle Greußen), Mitarbeiter der Bauhöfe der Stadt Clingen und Greußen, Feuerwehr, Fußballverein, Kegelverein, Landwirtschaftsbetrieb Harald Keitel, Garten- und Landschaftsbau Udo Doppleb (alle Clingen), Landwirtschaftsbetrieb Armin Ziegeldecker Grüningen.
Nach Bildung von mehreren Gruppen und deren Zuordnung zu einzelnen Gewässerabschnitten begannen die Arbeiten bei kalten und regnerischen Wetter. Es galt, den gesamten Müll, angeschwemmtes Treibgut sowie Holz entlang des Bachbettes zu sammeln und die in einigen Bereichen bis auf 60cm angewachsene Schlammschicht mit Schaufel, Spaten, Hacke sowie in Teilbereichen mit Technik auszuheben. Hierbei war größte Sorgfalt erforderlich, denn die alten Baumeister hatten eine wasserundurchlässige Tonschicht eingebaut, die nicht durchstochen werden durfte. Die am Bachlauf vorwiegend im Bereich von Einkaufs- und Getränkemärkten, hinter Wohnhäusern sowie an Brücken mit Glas, Plaste, Schrott sowie sonstigen Mülls zahlreich gefüllten Säcke riefen bei den beteiligten Helfern nur Unverständnis gegenüber einigen Unbelehrbaren und deren verloren gegangener Achtung zur Natur hervor. Während die Mitarbeiter des Bauhofes Greußen bereits am Vortag Teilbereiche der Helbe mittels Minibagger ausgehoben hatten, konnten die Arbeiten im Bereich Lindenstraße bis Poststelle am Samstag fortgesetzt und Montag abgeschlossen werden. Als besonderer Schwerpunkt erwies sich ein Helbe Abschnitt an der B4, welcher infolge steiler, hoher Böschungen und zahlreicher Bäume nur unter schwierigsten Bedingungen mit der Schaufel geräumt werden konnte. Ein halber Meter Schlamm, durchsetzt mit Müll, Holz und Laub sowie den Bachlauf auf ein Drittel einengende, abgestorbene Baumwurzeln und Pflanzen verlangten den im Abschnitt Tätigen alles ab. Zerbrochene Schaufeln, schmerzende Arme und Hände sowie kalte Füße waren die Folge. Mehrere, sehr engagierte Mitglieder des Gartenvereines „An der Sächsischen Helbe“ sowie private Anlieger von Greußen bis Clingen standen bereits mehrere Tage zuvor im Helbewasser, schaufelten Kubikmeter für Kubikmeter Schlamm aus dem Bachbett und sorgten damit für eine ungehinderte, tiefere Wasserführung sowie höhere Uferbereiche.
Im Bereich Clingen ist die Helbe am Welkertor seit mehreren Jahren eine Problemstelle. Schwindende und teils fehlende Uferbereiche, Überbauungen des Bachlaufs, Aufschüttungen mit Ziegel- und Bauresten erschwerten den fleißigen Helfern aus den ansässigen Sportvereinen, der Feuerwehr sowie den 25 Mitgliedern des tatkräftig unterstützenden Angelvereines aus Weißensee die Arbeit. Dieser Bereich bis hin zum Sportplatz musste komplett manuell mit Schaufeln ausgehoben werden. Zudem wurden die über Jahre hinweg infolge Windbruchs herab gestürzten Äste gesammelt und Querabsperrungen beseitigt. Durch die tatkräftige Unterstützung des Landwirtschaftsbetriebes Keitel sowie des Garten- und Landschaftsbaus Doppleb konnte die Helbe weiter als gedacht in Richtung Westgreußen entschlammt werden.
Während in den letzten 25 Jahrzehnten die Grund-Helbefege praktisch ausblieb, zeigten die 95 Helfer an diesem Tag, welche Leistungen durch eine gemeinschaftliche, über Gemarkungs- und Gemeindegrenzen hinaus reichende Aktion vollbracht werden können. Die Städte Clingen und Greußen sowie die Organisatoren danken nochmals allen Beteiligten für ihren engagierten, ehrgeizigen Einsatz. Für die Versorgung der Helfer am Samstag sorgten gemeinsam die Städte Clingen, Greußen, die Alterskameraden der Feuerwehr Clingen sowie Mitglieder des Angelvereines Greußen.
Die Organisatoren und Helfer möchte sich recht herzlich bei den Sponsoren: Fleischerei Baldur Krause und Schinken- und Salamifabrik Greußen für die kostenfreie Bereitstellung der delikaten Wurstwaren bedanken.
Die Schilderungen der heutigen Helbefege zeigen: Die bereits im Mittelalter und danach aufgetretenen Probleme an der Sächsischen Helbe sind heute immer noch aktuell, jedoch mangelt es den Kommunen auf Grund fehlender finanzieller Mittel, zu weniger oder überlasteter Mitarbeiter oder in Verkennung der Bedeutung dieser mittelalterlichen Sehenswürdigkeit an Möglichkeiten, um das Gewässer 2. Ordnung zu unterhalten und zu warten. Auch der im Jahr 2001 mit viel Euphorie und Zuversicht gegründete Verband „Unteres Helbesystem“ konnte nur in den Anfangsjahren über Fördermittel des Landes Thüringen und begrenzte Eigenmittel notwendige Reparaturarbeiten an Aquädukten, streckweise Grund Räumungen sowie Abdichtungen im Dammbereich entlang des Helbelaufes durchführen. Die mangelnde Zusammenarbeit der Kommunen im Verband sowie die erfolgslosen Bemühungen zur Suche und Wahl eines Verbandsvorsitzenden lähmen seit einigen Jahren dessen Handlungsfähigkeit derart, dass die Kommunen heute nur in Eigenregie die allernotwendigsten Instandhaltungsarbeiten durchführen. Umso mehr hoffen alle an der diesjährigen Helbefege beteiligten Vereine und Personen, dass ein Funken auf den Verband „Unteres Helbesystem“ überspringt, die beteiligten Kommunen sich gemeinsam an einen Tisch setzen, um Wege und Möglichkeiten aufzuzeichnen, die mit großen Werbetafeln, zahlreichen Flyern und Presseartikeln umworbene historische Wasserbauanlage vom Helbewehr in Westgreußen bis hin zur Schwarzburger und Sächsischen Helbe für Anlieger, Naturfreunde, Wanderer, Touristen und nachfolgende Generationen zu erhalten.
Die „Wasserknechte des 21. Jahrhunderts“ sind sich bereits einig: Sie möchten weitere interessierte Vereine und Bürger für die „Helbefege“ zur Erhaltung der mittelalterlichen Anlage gewinnen, die Aktion muss und wird kontinuierlich fortgeführt und auf weitere Gewässerabschnitte ausgedehnt werden.
Holger Puhl, Angelverein Greußen
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